Wahrscheinlich denken Sie, nachdem Sie den Titel gelesen haben, an rote Rosen, romantische Musik und Kerzenlicht, vielleicht an Rückzug von der Welt ins kuschelige Heim fernab von allem Trubel.
So ist es aber nicht. Es gibt viele Vorurteile gegenüber Achtsamen Selbstmitgefühl, die einfach nicht stimmen. So wurde zum Bespiel wissenschaftlich nachgewiesen, dass Achtsames Selbstmitgefühl nichts mit Selbstmitleid, Narzissmus, Ignoranz oder „Weichei“ zu tun hat. Im Gegenteil. Dr. Kristin Neff, Mitbegründerin des 8-Wochen Programms belegt, dass Leute, die sich selbst achtsam und mitfühlend begegnen, eine höhere Resilienz und mehr Selbstbewusstsein haben. Sie gehen leichter durch schwierige Situationen, wie z.B. Scheidung, lösen sich von ihrer Selbstverurteilung und Überidentifikation mit ihren leidvollen Geschichten und beginnen sich wieder dem Leben zuzuwenden („Myths of Self-Compassion“). Achtsames Selbst-Mitgefühl schwächt nicht. Es stärkt.
Selbstbehauptendes Selbst-Mitgefühl
Es gibt zwei Seiten beim Achtsamen Selbst-Mitgefühl: das Yin und das Yang. Die Yin Seite ist die zärtliche, sich zuwendende, sanfte Seite. Man schaut, dass es einem gut geht wenn man sich verletzt fühlt. Man kümmert sich um sich selbst. Die Yang Seite hingegen schützt, motiviert und sorgt für einen, setzt auch Grenzen. Man sagt „nein“ aus Liebe zu sich (und zum anderen). Es ist eine stärkere und stärkende Energie, die zusammen mit der sanfteren Energie von Yin achtsames Selbst-Mitgefühl ausmacht. Achtsames Selbst-Mitgefühl hat also nichts mit Selbstaufgabe oder totalem Rückzug zu tun. Im Gegenteil. Man beginnt wieder sich dem Leben zu zeigen.
Wie wird Achtsames Selbst-Mitgefühl angeboten?
Es gibt zwei Formate beim Achtsamen Selbst-Mitgefühl: einen 8-Wochen und einen 6-Wochen Kurs. In beiden Kursen trifft man sich einmal die Woche mit einer kleinen Gruppe von Teilnehmern zu entweder 2.5 oder 1.5 Stunden und bekommt auch „Arbeit für zu Hause“—um zum Üben. Es geht darum, Selbst-Mitgefühl zu leben und es in sein Leben zu integrieren. Klar, es gibt auch Lehrabschnitte, aber das Augenmerk der Kurse richtet sich auf die Praxis und das Leben von Selbst-Mitgefühl.
Jede Woche gibt es ein Thema, wie z.B. die Definition von Selbst-Mitgefühl, der Umgang mit Beziehungen und schwierigen Gefühlen, das Entdecken unserer Werte, das Verhindern von Burnout. Dazu gibt es Übungen, Diskussionen, Meditationen, um das jeweilige Thema zu verstehen, aber auch praktisch anzugehen.
Ist Achtsames Mitgefühl für jeder Mann und jede Frau?
Absolut. Mitgefühl ist etwas das jeder Mann und jede Frau schon hat. Es muss nur trainiert und entwickelt werden. Leider leben wir in einer „Ellbogen-Gesellschaft“ wo Mitgefühl nicht geübt wird, im Gegenteil. Es wird einem eher abtrainiert, vor allem bei Männern, und zum Teil schon als Kind. Worte wie „Stell dich nicht so an!“ „Sei keine Heulsuse!“ „Du Softy!“ und auch die oben beschriebenen Vorurteile teilen einem früh mit, dass man „stark“ sein muss und keine Schwäche zeigen darf. Man darf nicht verletzlich sein in dieser Welt—eine Welt, die als schlecht und voller Gefahren beschrieben wird…
Wenn Sie sich für einen Kurs entscheiden, sollten Sie also bereit sein, sich schwierigen Gefühlen zuzuwenden. Die Kursleitung ist äußerst bemüht einen sicheren Rahmen zu schaffen, doch wenn Sie sich zur Zeit in einer schwierigen Lebenssituationen befinden, wie z.B. Trauer oder in tiefster Verzweiflung, dann wäre es ratsam, sich diesem Kurs zu einem späteren Zeitpunkt zuzuwenden, wenn es Ihnen besser geht. Es geht ja auch darum, dass sich jeder sicher fühlt und sicher durch das Programm kommt, wo wir lernen mit schwierigen Gefühlen umzugehen anstatt sie zu vermeiden und vor Ihnen wegzulaufen.
Wir dürfen wieder fühlen lernen und uns liebevoll und achtsam selbst begegnen. Nur so erreichen wir Freiheit und stehen nicht mehr im Bann unserer Gefühle. „The only way is through!“—„Der einzige Weg ist durch!“ Und es gibt einen Weg—den Weg des Achtsamen Selbst-Mitgefühls!
Bei Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Ihr
Dr. Markus Bohlmann
PhD Englisch Kanada, MSC Lehrer
References: Neff, K. (2020). The 5 myths of self-compassion. What keeps us from being kinder to ourselves? CMSC. https://centerformsc.org/5-myths-of-self-compassion/
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